Thalias Kompagnons - Ein Kurzportrait



Von Katja Spiess
Leiterin des Figurentheaterzentrums Stuttgart

Es gibt Puppentheater, Objekttheater, Bildertheater, multimediales Theater, und es gibt THALIAS KOMPAGNONS. Es gibt Theater für die große Bühne, Kammerspielformate und Theater am Küchentisch und THALIAS KOMPAGNONS.

Seit 1990 machen Tristan Vogt – aus einer Musikerfamilie stammender Puppenspieler, Autor und Regisseur - und Joachim Torbahn – in Wien ausgebildeter Maler, Ausstatter, Spieler und Regisseur – gemeinsam Theater. Sie leben und arbeiten in Nürnberg und sind mit ihren Produktionen international auf Gastspielreisen. In über 20 Jahren Theaterarbeit haben sie eine künstlerische Handschrift entwickelt, die unverwechselbar und enorm wandlungsfähig zugleich ist. Im Musiktheater sind sie ebenso zuhause wie in der zeitgenössischen Literatur; ihre Ausdrucksformen reichen vom klassischen Handpuppenspiel über Objekttheater bis hin zur Malperformance.
Wenn man beschreiben sollte, was die Arbeit von Thalias Kompagnons auszeichnet, so fiele einem zunächst eine sehr eigene Verbindung von Werktreue und Zeitgenossenschaft ein. Man könnte auch sagen: Tristan Vogt und Joachim Torbahn versuchen immer, ein Werk für den heutigen Zuschauer zu erschließen, auf seine aktuelle Relevanz hin abzuklopfen, ästhetisch neu zu fassen und zu übersetzen, ohne ihm Lesarten aufzuzwingen oder überzustülpen, die es in seinem Kern beschädigen würden. Respektlos im Umgang mit theatralen Konventionen, mutig in der Mischung von Niederem und Erhabenen, von Volkstheater und Avantgardekunst, sind sie doch stets respektvoll ihrem Stoff gegenüber.

Zwei Beispiele: „Zauberflöte – eine Prüfung“ - eine figurentheatral-kammermusikalische Adaption der Mozart-Oper, bei der man aus dem Staunen gar nicht herauskommt. Eine karge Bühne mit einem Trickfilmtisch, Mini-Kameras und Leinwand, zwei offen auf der Bühne agierende Puppenspieler mit Figuren, die wie entfernte Verwandte des Handpuppenensembles von Paul Klee anmuten, ein auf gleicher Ebene wie die Spieler musizierendes Orchester und ein Countertenor, der alle Rollen singt. Und daraus soll ein magisches Märchen- und Zauberspiel entstehen? Ja, das tut es, und ein überaus komödiantisches, musikalisch genussvolles und blitzgescheites obendrein. Wunderbar entstaubt, frech, herrlich augenzwinkernd – eben so, wie es sich Mozart heute vielleicht wünschen würde.

Auch Franz Kafka hätte sicher Freude an der Figurentheater-Fassung seines Romans „Das Schloss“. In der Fassung von Thalias Kompagnons wird daraus ein „Machtspielchen“, eine existentialistisch grundierte „Mensch-Ärgere-Dich-nicht-Partie“ mit kleinen, gesichtslosen Holzfiguren, deren Ambitionen, Ängste und Boshaftigkeiten in der Verkleinerung nicht verloren gehen, sondern – ganz im Gegenteil – eine neue tragikomische Dimension entfalten. Ganz so, als hätte man aus Kafka endlich auch mal das komisch Kafkaeske herausgekitzelt. Das macht Lust beim Zuschauen und das macht Lust aufs Entdecken oder Wiederentdecken des Autors Franz Kafka.
Einer der genau so viel Freude hat am Herauskitzeln von tragikomischen Subtexten ist der fränkische Autor Fitzgerald Kusz, mit dem Thalias Kompagnons inzwischen drei Inszenierungen realisiert haben: „Zwerge. Eine fränkische Passion“, „Das hässliche Entlein“ und den Theaterabend „Hänsel und Gretel“, der dem Grimmschen Märchen mit beherzt-fröhlicher Schonungslosigkeit auf den Zahn fühlt.

Wie Fitzgerald Kusz haben auch Thalias Kompagnons eine große Affinität zu Volkstheaterformen und -stoffen, die sie ästhetisch neu fassen, ironisch wenden und aktuell interpretieren: man denke an die barocke Farce „Niemand und Jemand“, das Shakespearsche Kaspertheater „Macbeth für Anfänger“ oder auch – uraufgeführt bei den Salzburger Festspielen – das Raimundsche Zaubermärchen „Das Mädchen aus der Feenwelt“. Wie Kusz entdecken sie in diesen Formen die Risse, die Sprünge, den doppelten Boden, oder, wie es der Berliner Autor Ernst-Frieder Kratochvil einmal formulierte: „Volkskunst minus Verlogenheit, Kitsch und Oberflächlichkeit; plus Realitätsbewußtsein, Lakonie und das, was man „Hinterfotzigkeit“ nennt.“

Neu zu entdecken gibt es im Theaterkosmos von Thalias Kompagnons jedoch nicht nur literarische Stoffe und Musiktheaterwerke; mit der Form des „Maltheaters“ hat das Ensemble auch eine ganz eigene Verbindung von Bildender Kunst und Figurentheater geschaffen.

Auf einer großformatigen Leinwand entstehen Bilder, die immer in Bewegung sind, sich verwandeln, überlagern, auflösen und neu zusammensetzen. Und selbst wenn sich ein Bild am Ende einer Aufführung komplettiert, so scheint es uns doch, als würde ein Pinselstrich, eine Schwammbewegung genügen, um wieder etwas ganz Neues entstehen zu lassen. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Malstücke trotz des performativen Charakters stets einen dramatischen Bogen und einen figürlich angelegten Protagonisten haben – sei dieser ein roter Punkt wie in „Was macht das Rot am Donnerstag“ oder ein mal farbig ausgestalteter, mal nur silhouettenhaft angedeuteter „Standhafter Zinnsoldat“. Dies erlaubt den Zuschauern – Kindern wie Erwachsenen – sich emotional zu verbinden und gemeinsam mit dem Protagonisten die sich verändernde Formen- und Farbenwelt als lustvolles Abenteuer zu erleben.

Und vielleicht ist es das, was – trotz der unterschiedlichen Formen, Inhalte und Formate – alle Inszenierungen von Thalias Kompagnos verbindet: Lust auf Kunsterfahrung zu machen: Lesen Sie Kafka, hören Sie Mozart, schauen Sie sich Bilder von Klee an, halten Sie Ihre Sinne wach und haben Sie Spaß dabei!

Dieser Text entstand zur Ausstellungseröffnung "Thalias Kompagnons - Zwischen Küchentisch und Staatstheater" im PuK, Museum für Puppentheaterkultur in Bad Kreuznach am 25. Januar 2013