Vorbesprechung in der Abendzeitung

16.2.2009

NÜRNBERG - Das gewünschte Gefühl der Verlorenheit lässt sich nicht leugnen, wenn man den Resopalküchentisch in der Mitte des Nürnberger Komm-Festsaales erblickt. Das gute Stück aus dem Wertstoffhof leuchtet aus der Second-Hand-Kulisse heraus. Gerade haben Joachim Torbahn (Figuren und Regie) und Tristan Vogt (Spiel) das Licht eingerichtet für Franz Kafkas unhandliches Romanfragment „Das Schloss“. Vom 18. Februar um 19.30 Uhr an wird der ausgemusterte Küchentisch, der mitten auf dem abgewetzten Parkett steht, Schauplatz sein für ein groteskes „Machtspielchen“ mit 30 Holzfiguren. Die Zuschauer sitzen auf der Bühne. „Wichtig ist“, sagt Tristan Vogt, „dass man herunterschaut und nicht herauf. Kafka hat sich selber auch immer klein gemacht.“

Für Vogt und Torbahn, die „Thalias Kompagnons“ mit der Nürnberger Kulturpreis-Würde, ist der Saal im unübersichtlichen KunstKulturQuartier, wo „jeder um Anerkennung kämpft“, der „ideale Spielort“ für diese „verrücktmachenden Kommunikationsstrukturen“. Es ist der „selbstgewollte Kampf“ eines angeblichen Landvermessers, der an der undurchsichtigen Schlossverwaltung abblitzt.

Man habe anfangs überlegt, wirft Joachim Torbahn ein, der Kafka-Vorlage den Untertitel „Schule des Mobbing“ zu geben. Was aber nur bedingt stimme, denn die bürokratischen Bosheiten seien wechselseitig. „Jemand versucht aus dem Nichts, eine Identität zu bekommen“, sagt Tristan Vogt über diesen verbalen „Boxkampf“ voller Beziehungswahnsinn: „Die Behörde treibt einen diabolischen Spaß mit ihm. Sie funktioniert wie eine perverse Wunscherfüllungsmaschine.“

Den ursprünglichen Plan mit Labyrinth-Bauten hat man schnell beerdigt: „Wir haben festgestellt: So kann es nicht gehen.“ Das „Labyrinthische ist jetzt „im Innern“. Da ist einer, „der gegen sich selbst spielt“, sagt Vogt, der Wagner- und Mozart-Erprobte, der einen derart „extremen Kampf“ mit einem Stoff „so noch nicht erlebt hat“. Zu bereuen gibt’s da nichts: „Sich ein Jahr mit Kafka zu beschäftigen, ist ein Privileg.“

Nach der aufwändigen „Zauberflöte“ ist „Kafkas Schloss“ eher die Fortsetzung der fränkischen „Zwerge“-Passion: „Die Räume, die Kafka beschreibt, sind gar nicht so wichtig, sondern das Miteinander.“ Also werden, wie es dem Autor in seiner Justizsprache schon genügte, die Dämonen auf den Tisch gelassen. Archaische Holzpuppen stürzen sich mit kindlicher Unbefangenheit in ein „Mensch-ärgere-dich-Spiel“, befeuert von den Innereien eines Rumpelkammerschranks. „Was irre ist“, meint der Puppenspieler, „es entsteht ein Geheimnis, das man nicht erklären kann.“

„Man macht das Stück kaputt“, glaubt Regisseur Torbahn, „wenn du glaubst, es aus einem Guss präsentieren und entschlüsseln zu können.“ Es bleibe „ein Fragment, ein Spiel, das sich irgendwann tot läuft“, sagt Vogt. Auf den Puppenspieler wartet ein kräftezehrender, vielarmiger Einsatz in 75 Minuten: „Aber wenn ein Stück gut gebaut ist, reißen einen die Figuren mit.“

Kafka selbst bekundete, dass er an dem Stoff gescheitert sei. „Ob wir gescheitert sind, werden wir sehen“, sagen die beiden über ihr „Experiment“. Als Kulturpreisträger an einem symbolträchtigen Ort unterstellter Bürokratie spüren Thalias Kompagnons verschärft Erwartungshaltungen. Vogt: „Der Druck ist groß – und kontraproduktiv.“

Andreas Radlmaier